Über uns
„Lass fallen Anker“ – Ausgabe 2021 online

Viele Schwierigkeiten sind mit der Pandemie auf uns zugekommen. Und dabei, das ist „das Gute am Schlechten“, hat sich unter uns sehr viel Kreativität entfaltet!
So haben wir ganz neu gespürt, dass wir „alle in einem Boot“ sitzen und voneinander abhängig sind: Das gilt auch für Seeleute weltweit; für diejenigen, die sich für Seeleute einsetzen; für die Menschen auf allen Kontinenten. Wir erleben gerade wie kaum je zuvor, dass auf dieser Welt alles miteinander zusammenhängt: „WE ARE ONE!“
Im vorliegenden Heft, an dem die DSM in Lübeck mitgeschrieben hat, gibt es einen geistlichen Impuls des ICMA-Generalsekretärs Dr. Jason Zuidema. Ein Interview mit MdB Dorothee Martin zum Lieferkettengesetz und der bislang leider vernachlässigten Rolle der Seeleute darin. Es gibt wieder Berichte aus Stationen der DSM, darunter auf Seite 36 aus Lübeck, und über die Zusammenarbeit mit den Geschwistern anderer Seemannsmissionen. Es gibt einen Ausblick auf geplantes neues Engagement der DSM: „Panama könnte schöner sein!“ Und - last but not least - auch einen weiten Überblick über die Häfen der Bibel.
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Lösung für eine humanitäre Krise auf den Weltmeeren

Über 600 Unternehmen und Organisationen (darunter die Deutsche Seemannsmission e.V.) schließen sich zusammen, um bei der Lösung einer humanitären Krise auf den Weltmeeren zu helfen
Globale Industrie- und Menschenrechtsführer, darunter A.P. Møller - Mærsk, BP, BW, Cargill, COSCO, DOW, Euronav, MISC, NYK, Rio Tinto, Shell, Trafigura, Unilever und Vale unterzeichnen die Neptune Declaration on Seafarer Wellbeing and Crew Change in einem weltweiten Aufruf zum Handeln, um die durch Covid-19 verursachte, noch nie dagewesene Krise der Besatzung zu beenden.
Hunderttausende von Seeleuten aus aller Welt arbeiten seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie über den Ablauf ihrer ursprünglichen Verträge hinaus an Bord von Schiffen und können nicht abgelöst werden. Ermüdung nach langer Zeit auf See hat erhebliche Auswirkungen auf das körperliche und geistige Wohlbefinden von Seeleuten. Dadurch ist das Risiko von Seeunfällen und Umweltkatastrophen erhöht und stellt eine Bedrohung für die Integrität der maritimen Lieferketten dar, über die 90 % des weltweiten Handels abgewickelt werden.
Trotz erheblicher Bemühungen von internationalen Organisationen, Gewerkschaften, Unternehmen und einigen Regierungen, diese unhaltbare Besatzungskrise zu lösen, sehen wir, wie sich die Situation verschlimmert, da die Regierungen als Reaktion auf die neuen Stämme des Covid-19-Virus weitere Reiseverbote verhängen. Eine Reihe von Schlüsselfragen lassen diese kritische Situation ungelöst: Nationale Behörden auf der ganzen Welt sehen Crewwechsel und internationale Reisen weiterhin als ein Covid-19-Risiko; hochwertige Gesundheitsprotokolle werden von Schiffsbetreibern nicht konsequent umgesetzt; und die Unterbrechung des internationalen Flugverkehrs hat die Anzahl der Flüge zwischen traditionellen Crewwechsel-Drehkreuzen und wichtigen Seefahrernationen reduziert.
„Wir sind Zeugen einer humanitären Krise auf See. Während der gesamten Coronavirus-Pandemie haben Seeleute die Welt mit Lebensmitteln, Energie und anderen lebenswichtigen Gütern versorgt, ohne dass sie wussten, wann sie zu ihren Familien nach Hause gehen konnten. Sie sind zur Geisel der Situation geworden und können nicht mehr von ihren Schiffen herunter. Doch wir können die Krise des Besatzungswechsels beenden, ohne die Gesundheit der Bevölkerung zu gefährden", sagt Jeremy Nixon, CEO von ONE.
Mehr als 600 Unternehmen und Organisationen (Darunter die Deutsche Seemannsmission e.V.) haben erkannt, dass sie aufgrund ihrer Rollen in der gesamten maritimen Wertschöpfungskette und darüber hinaus eine gemeinsame Verantwortung haben, um sicherzustellen, dass die Krise des Crewwechsels so schnell wie möglich gelöst wird. Sie haben die Neptune Declaration on Seafarer Wellbeing and Crew Change unterzeichnet, die vier Hauptmaßnahmen definiert, um den Wechsel der Besatzung zu erleichtern und globale Lieferketten funktionsfähig zu halten:
Anerkennung von Seeleuten als wichtige Arbeitskräfte und ihr vorrangiger Zugang zu Covid-19-Impfstoffen
Erstellen und Implementieren von Gold-Standard-Gesundheitsprotokollen auf der Grundlage bestehender bewährter Verfahren
Verstärkte Zusammenarbeit zwischen Schiffsbetreibern und Charterern, um Crewwechsel zu erleichtern
Sicherstellung von Flugverbindungen zwischen wichtigen maritimen Drehkreuzen für Seeleute
„Seeleute spielen eine wichtige Rolle im globalen Wettlauf um die Eindämmung der Coronavirus-Pandemie, indem sie die Weltbevölkerung, insbesondere in den Entwicklungsländern, mit wichtigen medizinischen Hilfsgütern versorgen. Sie sind entscheidend für das Wohlergehen von Millionen von Menschen. Wir rufen unsere Kollegen, Regierungsstellen und andere Stakeholder auf, sich unseren Bemühungen anzuschließen, um sicherzustellen, dass die Rechte und das Wohlergehen der Arbeiter an vorderster Front der globalen Lieferketten respektiert werden", sagt Graham Westgarth, Vorsitzender der V. Group.
Die Neptune Declaration wurde von einer Arbeitsgruppe von Interessenvertretern aus der gesamten maritimen Wertschöpfungskette entwickelt, darunter A. M. Nomikos, Cargill, Dorian LPG, GasLog, Global Maritime Forum, International Chamber of Shipping, International Maritime Employers' Council, International Transport Workers' Federation, ONE, Philippine Transmarine Carriers, Sustainable Shipping Initiative, Synergy Group, V. Group und World Economic Forum.
Sehen Sie die Neptune Declaration und die vollständige Liste der unterzeichnenden Unternehmen und Organisationen hier.
Konfirmanden bedanken sich bei Seeleuten
Postkarten sorgen für berührende Momente an Bord

Ein Foto, das wollen die beiden Seeleute von der „Lianne“ sofort. Bunt, kreativ, wertschätzend:
Sich bei den Konfirmanden bedanken. Die Postkarten der Konfirmandinnen und Konfirmanden.
Es ist wieder so weit: Viele Seeleute dürfen wegen der strengen Corona-Maßnahmen in Lübeck nicht von Bord. Sie haben keine Chance, ihren Geist zu erfrischen. Fühlen sich wieder einmal vergessen. Das drückt aufs Gemüt. Für eine kleine Freude sorgen da Postkarten von Konfirmanden, die die Deutsche Seemannsmission in Lübeck neben aller praktischen Unterstützung an die Seeleute verteilt.
Entstanden sind die Postkarten im Konfirmandenunterricht von Dompastorin Margrit Wegner und Vikarin Carolin Sauer. Bärbel Reichelt, Leiterin der Deutschen Seemannsmission in Lübeck, hatte den Jugendlichen von Leben und Arbeiten an Bord erzählt. Davon, dass fast alle Güter über das Meer transportiert werden. Die Kleidung der Jugendlichen, der Kakao, die Banane, das Handy. Und so wollten die Konfirmanden den Seeleuten gern danke sagen.
Sie haben Postkarten geschrieben. Auf englisch. In bunten Farben. Oft reich verziert mit Regenbögen, Blumen, Schiffen, Engeln und kunstvollen Ornamenten. „Ich möchte dir danken, für die großartige Arbeit, die du machst“, ist da beispielsweise zu lesen. Oder: „Wegen des Lockdowns fühlen wir uns alle wie du dich fühlst, wenn du die ganze Zeit an Bord bist.“ „Du bist nicht allein.“ „Ich denke an dich.“ „Da gibt es Menschen auf der Welt, die sind sehr stolz auf dich.“ „Gott segne dich in dieser harten Zeit.“ „Möge ein heiliger Engel mit dir sein.“
Viele berührende Momente entstehen an Bord, wenn die Ehrenamtlichen der Seemannsmission und Theologin Bärbel Reichelt die Postkarten an die Seeleute überreichen. Eine kleine Freude in einer Situation, die für die Seeleute oft unverständlich ist. Je nach Nationalität dürfen die einen von Bord, die anderen nicht. So sehen es die Corona-Maßnahmen vor. Dabei leben und arbeiten sie doch oft mit vielen Nationalitäten gemeinsam an Bord. „An uns Seeleute wird bei diesen Regelungen nicht gedacht. Dabei stellen wir die Versorgung der Menschen sicher.“ Sätze, die Stationsleiterin Bärbel Reichelt seit Beginn der Pandemie oft zu hören bekommt.
Und so sind viele Seeleute gerade in diesen Tage gerührt, dass es da Jugendliche gibt, die an sie denken. Die etwas verstanden haben von den Zusammenhängen dieser Welt. Die sich nun auch noch auf diese schöne Weise bei ihnen bedanken möchten. Manche Seeleute haben den Wunsch, diesen Dank an die Jugendlichen zurückzugeben. Und so stellen sie sich freudestrahlend auf für ein Foto für die Konfirmanden.
Fotos (honorarfrei): DSM HL
Deutsche Seemannsmission in Lübeck bringt Geschenke in schwierigen Zeiten
550-mal Weihnachtsfreude an Bord
Freude bei Kapitän Jan Hoek Bärbel Reichelt und der
(hinten, 3.v.l.) und der Crew der Kapitän der „Largon
"Genca“ aüber die Geschenke
.
Volker Wiechmann Ingo Elend. Christian Lenzner (li.) und Andreas Ratje .
Die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiter der Deutschen Seemannsmission in Lübeck haben 550 Weihnachtspäckchen für Seeleute gepackt. In der Adventszeit und Heiligabend verteilen sie die Geschenke auf den Schiffen im Lübecker Hafen. Besonders in diesem Jahr ist die Freude der Seeleute groß. Angesichts der Corona-Pandemie sind es schwierige Zeiten für sie.
Morgens um 10 Uhr am Seelandkai. Das RoRo-Schiff „Genca“ der finnischen Reederei Transfennica hat hier festgemacht. 205 Meter Länge, 22 Mann Besatzung. Aus den Niederlanden, Estland, Russland und von den Philippinen. Es ist Kaffeepause. Ein Teil der Crew hat sich im Laderaum versammelt. Kapitän Jan Hoeck ist auch dabei. Sie winken, als sie Stationsleiterin Bärbel Reichelt von der Deutschen Seemannsmission in Lübeck entdecken - die Weihnachtsgeschenke in einer Kiste. 22 Stück. Für jeden Seemann eins. Sorgsam verpackt. Ein Lächeln huscht über die Gesichter der Crew. Jan Hoek fasst es in Worte: „Es ist so wichtig, dass ihr kommt. Dass ihr uns einen Dank schenkt in so schwierigen Zeiten.“
Die Corona-Pandemie und die mit ihr verbundenen Einschränkungen haben auch die Crew der „Genca“ hart getroffen – so wie alle Seeleute. Wochenlang durften sie nicht von Bord, um ihre Seele zu erfrischen. Crewwechsel waren nicht möglich und sind manchmal noch immer schwierig. Viele Seeleute mussten am Ende ihres monatelangen Vertrages einfach weiterarbeiten - müde und voller Sehnsucht nach den Lieben. So auch Christian. Ein Jahr lang war er an Bord der „Genca“. Ein Jahr lang harte Arbeit, zehn Stunden am Tag, jeden Tag, nur am Sonntag ein bisschen weniger. Normalerweise geht sein Vertrag über acht Monate. Als er dann endlich nach Hause auf die Philippinen konnte, blieb er nur einen Monat statt drei. „Ich brauche das Geld“, sagt Christian. „In meiner Heimat ist der Familienzusammenhalt sehr wichtig. Ich unterstütze meine Eltern und meinen Bruder mit seiner Familie. Außerdem wollen wir wollen ein Haus bauen.“
Im Hintergrund seiner Sätze schwingt die Sorge mit, vielleicht nicht mehr an Bord zu kommen, so wie es einigen seiner Kollegen ging. Fredzon und Justin waren zu Beginn des Lockdowns auf den Philippinen. Von dort kamen sie nicht weg. Mussten zu Hause bleiben. Ohne Einkommen. Fredzon sechs Monate. Justin acht Monate. „Das war wirklich hart“, sagen sie. „Aber du kannst es nicht ändern. Du musst positiv denken.“ Über Gefühle wird an Bord nicht viel geredet. Aber Kapitän Jan Hoek weiß um die Belastungen: „Mehr noch als sonst auch versuche ich, eine gute, freundliche Atmospähre zu schaffen. Ich nehme jeden einzelnen beiseite, wenn ich sehe, dass es ihm nicht gut geht.“ „Es ist wichtig, dass wir die Seeleute an Bord der Schiffe nicht vergessen“, betont Theologin Bärbel Reichelt. „Wir alle haben mit ihnen zu tun, auch wenn wir sie nicht sehen. Jeder Tee, jeder Kaffee, jede Banane, fast jedes Kleidungsstück ist nicht nur durch die Hände der Produzenten sondern auch durch die Hände der Seeleute gegangen. Ebenso brauchen wir als Exportnation dringend ihre Arbeit.“
An ihrer Situation können die Seeleute an Bord der „Genca“ selbst wenig ändern, aber Weihnachten werden sie es sich schön machen. Die Philippinos werden auf dem Wetterdeck in einem alten Ölfass ihr traditionelles Spanferkel grillen. In der festlich geschmückten Schiffsmesse ist ein köstliches Büfett aufgebaut. Da werden sie dann alle zusammen sitzen. Der Kapitän hält eine Rede. Die Geschenke liegen unter dem Weihnachtsbaum. Eins nach dem anderen werden sie auspacken – „damit es möglichst lange dauert“, schmunzelt Hoek.